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Der Deutsch-LK

Wir schreiben das Jahr 1998 n. Chr., alle Schüler der ´95er HG´s sind vom Mathe- und Englischfieber befallen. Alle Schüler? Nein, nur die Deutsch-LKler leisten erbitterten Widerstand gegen Formeln und angelsächsisches Gefasel. Wobei uns Sabine N. aus L. tat- und wortreich unterstützte. Voller Tatendrang, Elan und Erholung aus den gerade verschiedenen Sommerferien konfrontierte sie uns zunächst einmal mit den Unterrichtsinhalten des D-LK. War es vielleicht doch ein gravierender Fehler gewesen, Widerstand zu leisten?

Na ja, falls wir nicht zuviel im Reich der Träume lustwandeln würden, würden wir es ja noch früh genug erfahren. Aber gleich wurden wir wieder aus dem Schlaf gerissen, zumindest die Männlichen unter uns, tolle Frauen in noch tolleren Kleidern auf dem Projektor! Klasse, guter Start ins Leistungskursleben! Ha, die Euphorien der Unwissenden wechselten schnell in Ratlosigkeit, als auf einmal blutige Soldaten-T-Shirts zu sehen waren. Thema: Werbung in unserer Gesellschaft. Das war also D-LK, trotzdem, in diesem Jahr und auch im folgenden hatten wir viel Spass miteinander. Dreimal in der Woche kamen wir zusammen, um uns überflüssige Lyrik aller Art zu vergegenwärtigen, um Sachtexte soweit auseinanderzuschrauben bis niemand mehr nichts kapierte, um über WOYZECK und FAUST zu fluchen und um kollektiv zu schlafen.

Besonders geprägt wurde der D-LK durch angeregt geführte Diskussionen verschiedenster Inhalte, sei es um Holländer mit ihrer Campingkultur, Sinn oder Unsinn von Benetton-Werbung, Andreas Mogelstrategien, frei oder nicht frei oder einfach nur über die Lebensgewohnheiten des Leonardo di Caprio, wenn er bei seine Omma in Oer-Erckenschwick wohnen tut. Obwohl das theoretisch sowieso relativ uninteressant ist, jedenfalls für die weiblichen unter uns, weil sich ja hartnäckig das Gerücht hält, dieser junge Filmgott sei schwul, was hiermit bestätigt sei.

Aber dieses waren bisher nur die Sonnenseiten unseres D-LK-Lebens.
Wir wurden auch genötigt, uns mit FAUST, WOYZECK und EMILIA GALOTTI herumzuschlagen. Als Höhepunkt dieser Miseren wurden uns schauspielerische Höchstleistungen unter den Augen des Großmeisters Hege abverlangt. Wobei sich dann herausstellte, daß an manchen Mitschülern große Schauspieler verloren gegangen waren.
Als weitere Foltermittel wurden beispielsweise rhetorische Mittel in Verbindung mit Exil- und Liebeslyrik angewandt. Paul Celans "Todesfuge" und Brechts geistige Ergüsse brachten uns an den Rand der Verzweiflung.
Doch nicht nur die Schüler durchlebten so manche Null-Bock-Phase, auch Frau Neuser war manchmal dankbar für jedwede unterrichtsfremde Show- oder Diskussionseinlage. Zuweit ging es dann nur, als ein mittlerer Kleinkrieg zwischen zwei Mitschülerinnen, bezüglich Abtreibung, ausbrach.

Viel interessanter ist die Frage, ob wir in diesen zwei Jahren wirklich etwas gelernt haben? Ja, haben wir!!! Oder? Doch, wir können schreiben, lesen, rechnen leider nicht, muss wohl am LK liegen. Wir kennen aber auch den Unterschied zwischen Sturm, Drang und Klassik, den zwischen alter und neuer Rechtschreibung, den zwischen Blaumachen und Kranksein, wir wissen, was ein Prädikat ist, wie man richtig zitiert und daß man selbiges am besten sofort lässt, denn aus leidlicher Erfahrung sei gesagt, es bringt nur Ärger und das für etwas, was man nicht einmal selbst zusammengeschustert hat.

Resümierend kann man sagen, daß wir zwei spaßige Jahre hatten, in denen sehr viel gelacht wurde. Eine extravagante, von Vorteil gekleidete, sehr tolerante, körperlich kleine, geistig sehr große, humorvolle, fürchterlich autofahrende, verständnisvolle, attraktive, ein wenig naive, dabei aber oft lachende Lehrerin, begleitete uns durch zwei tolle Jahre Leistungskurs.

- Danke -

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