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Literaturkurs

Literatur stand seit dem Anfang der 13 mit einer Doppelstunde pro Woche zusätzlich auf dem Stundenplan. Die Einen entschieden sich, mit Frau Plate einen Videofilm zu drehen, die Anderen, der bei weitem größere Teil vertraute sich mehr oder weniger freiwillig – der Filmkurs hatte nur eine begrenzte Kapazität – Frau Neuser und Frau Meier-Rolke an, die ein Theaterstück auf die Bühne bringen wollten. Unsere Aufgabe bestand darin, Shakespeares Romeo und Julia aktualisiert aufzuführen.

Um uns mit der Thematik vertraut zu machen, lasen wir im ersten Schritt das Original, um schließlich ein Konzept für eine Veränderung zu finden.

Die Idee, Romeo, als Sohn rechter Eltern, verliebt sich in die Asylantin Julia, verwarfen wir schnell wieder, die Thematik schien uns zu abgedroschen. Nach einigen heftigen Diskussionen und immer neuen Vorschlägen einigten wir uns auf Romeo und Julia in den 70ern. Romeo, mit Leib und Seele Polizist, lernt im Einsatz die Demonstrantin Julia kennen, die im linken, bisweilen auch RAF-nahen Milieu anzusiedeln ist.

Indem wir uns mit Filmen, Texten und Liedern der hitzigen 70er beschäftigten, war es uns erst möglich das Lebensgefühl dieser Zeit, soweit das überhaupt möglich ist, nachzuempfinden. Das war Voraussetzung, um in Gruppenarbeit den Text zu schreiben. Allerdings war das nicht ganz unproblematisch, denn was geschrieben Sinn machte, lustig war und schön zu lesen, gab bei ersten Stellproben plötzlich keinen Sinn mehr, wirkte lächerlich oder sogar peinlich. So wurde der Text laufend, noch bis einige Wochen vor der Aufführung überarbeitet und verbessert.

Wenig später begannen wir im Unterricht zu proben, was am Anfang besonders schwer fiel, da im Grunde niemand Bühnenerfahrung hatten, es nicht gewohnt war, in einen Rolle zu schlüpfen. Es gestaltete sich schon als problematisch, nur eine einzige Szene durchzuspielen, zu wissen, wann wer etwas sagen muß, wo er stehen muß und was er machen soll. Mitunter kam es vor, daß Szenen, die noch vor einigen Wochen relativ reibungslos geklappt hatten, nun im Chaos endeten. Um beim Proben voran zu kommen, trafen wir uns einen Monat vor der Aufführung an einem Samstag in der CBG-Aula in Dülmen. Problematische Szenen wurden noch Mals intensiv trainiert.

Im Grunde probten wir erst wieder am Freitag vor der Aufführung, da wir im Unterricht aufgrund von Krankheit und Klausuren keine Zeit mehr fanden. Am Freitagnachmittag war dann in der Aula das Durcheinander perfekt. Szenen, die sonst gut waren wirkten plötzlich, als würden sie zum ersten Mal gespielt. Teilweise wurde der Text innerhalb von wenigen Wochen anscheinend wieder komplett vergessen, was ein Proben fast unmöglich machte. Wir verzweifelten fast völlig, als Romeo und Mercutio auf der Bühne standen und verschiedene Texte, die überarbeitete und die ursprüngliche Version, gelernt hatten, die natürlich gar nicht zueinander paßten.

Abends war die Stimmung dann auf dem Nullpunkt; wir schrien uns fast an. Verzweifelt sahen wir dem nahenden Aufführungstermin entgegen, immer vor Augen, der nächste Abend würde mit einem großen peinlichen Chaos enden. So wurden dann auch die Rufe lauter, daß Stück abzusagen, oder vielmehr entfallen zu lassen, denn bis zum nächsten Tag konnten wir unmöglich jeden benachichtigen. Beinahe hätte ein Schild mit der Aufschrift "Die Aufführung muß leider entfallen, da der Hauptdarsteller plötzlich schwer erkrankt ist." am Tag der Aufführung an der Tür der Aula geprangt.

Aber wir konnten das Stück nicht einfach ausfallen lassen. Die Leute hätten vor verschlossenen Türen gestanden und wie hätten wir dagestanden und erst Frau Neuser und Frau Meier-Rolke? Außerdem hatte Herr Hege voller Begeisterung und Stolz schon sämtlichen Lehren nahegelegt, doch auf jeden Fall der Aufführung beizuwohnen. So beschlossen wir, uns am nächsten Tag, dem Samstag der Aufführung, mittags wieder zu treffen. Überrascht waren wir dann, wie gut - im Gegensatz zum Freitag - die Probe verlief. Nachdem wir das Stück zwei Mal durchgespielt hatten, hofften wir wieder auf einen glimpflichen Ausgang des Abends.

In der Tat war die Aufführung am Samstagabend mit Abstand besser als alle Proben, so daß es gar nicht negativ auffiel, wenn jemand vor Aufregung seinen Text nicht mehr wußte. Eigentlich sorgte das nur für ein paar Lacher bis die Soufleusen dem Akteur dann das Stichwort gaben.

Erleichtert waren wir, es geschafft zu haben, vielleicht sogar ein bißchen stolz, daß alles doch noch so gut geklappt hat. Die Zuschauer jedenfalls hatten sichtlich Freude und Herr Hege bedauerte sogar, die Presse nicht verständigt zu haben. Auf jeden Fall erlebten wir eine Art euphorisches "Zusammen-sind-wir-stark-Gefühl", denn uns wurde klar, daß nur durch den Beitrag, den Einsatz jedes Einzelnen der Erfolg des Abends möglich war und daß jeder im Grunde seine Sache gut gemacht hatte.

Neben den offensichtlich Beteiligten, den Akteuren, sind die, die eher im Hintergrund aktiv waren, nicht zu vergessen, als da wären die Bühnenbildner, Requisiteure, Beleuchter, Programmheftgestalter und Soufleusen. Frau Meier-Rolke und Frau Neuser, denen das Stück einige Nerven kostete und sicher gerade zum Schluß schlaflose Nächte bereitete aber auf jeden Fall viele Mühen machte, gilt an dieser Stelle noch Mal unser Dank.


 

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